WEKA - VOB und Ausschreibung - Software für Architekten und Handwerker

VOB Ausschreibung - Regeln

Regeln für das VOB-gerechte Ausschreiben

Die wichtigsten Regeln für das Ausschreiben habe ich zuvor im Prinzip schon genannt. Die Leistungen müssen so ausführlich und deutlich beschrieben werden, dass alle Bieter ihre Angebote auf identischer Grundlage abgeben. Dies habe ich mit dem Beispiel eines Autos schon versucht, deutlich zu machen. Nur wenn jedem Händler präzise das gewünschte Auto mit allen kostenrelevanten Angaben, z.B. Modell, Motorart und -leistung, Ausstattung, Art der Lackierung, Einschluss von Überführungs- und Zulassungskosten usw. angegeben wird, können Angebote verschiedener Händler verglichen werden. Deshalb fordert auch die VOB in § 9 Nr. 1 Teil A: „Die Leistung ist eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können.“

Aber auch eine Reihe weiterer Anforderungen von § 9 VOB/A dient letztendlich dem Ziel, dem Auftraggeber vergleichbare und verlässliche Angebote zu beschaffen. Die Anforderung von § 9 Nr. 2 VOB/A kann als Generalklausel für das gesamte Ausschreibungs- und Vergabeverfahren bezeichnet werden: „Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann.“

Nur wenn der Ausschreibende diese Regel beachtet, kann der Auftraggeber darauf vertrauen, dass die Angebotspreise auch die geforderten Leistungen vollständig umfassen. Andernfalls muss er damit rechnen, dass ihm der Auftragnehmer jenen Aufwand zusätzlich in Rechnung stellen wird, der ihm durch Umstände und Ereignisse entsteht, die ihm bei der Angebotsabgabe noch nicht bekannt waren. Die beiden genannten Regeln in § 9 Nr. 1 und Nr. 2 VOB/A werden durch weitere Anforderungen in § 9 Nr. 3 VOB/A noch untermauert:

  1. Um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, sind alle beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben.
  2. Erforderlichenfalls sind auch der Zweck und die vorgesehene Beanspruchung der fertigen Leistung anzugeben.
  3. Die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, z.B. Boden- und Wasserverhältnisse, sind so zu beschreiben, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen kann.
  4. Die ‚Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung’ in ‚Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen’, DIN 18299 ff., Abschnitt 0, sind zu beachten.

Aus diesen Regeln ergibt sich, dass der Ausschreibende den Bietern alle erforderlichen Informationen in der Leistungsbeschreibung geben muss, die diese für ihre Kalkulation benötigen. Dazu gehören z.B. auch alle Angaben zu den örtlichen Verhältnissen der Baustelle. Aus diesen Gründen ist z.B. der folgende Hinweis in den Vergabeunterlagen unwirksam (so entschieden vom OLG München, Az.: 9 U 6108/89): „Der Bieter erkennt mit Abgabe des Angebots an, dass er sich an der Baustelle über alle die Preisermittlung beeinflussenden Umstände informiert hat. Vor Abgabe des Angebotes hat sich der Bieter mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu machen. Nachforderungen aufgrund vorhersehbarer Schwierigkeiten werden nicht anerkannt.“

Hinweis
Ein Bieter, der ein Angebot zu einer Ausschreibung abgibt, die diese Klausel enthält, ist nicht daran gehindert, Nachträge geltend zu machen, die auf Tatsachen beruhen, die in der Leistungsbeschreibung nicht beschrieben waren und nur bei einer Ortsbesichtigung für ihn erkennbar gewesen wären. Diese Klausel widerspricht eklatant den Anforderungen von § 9 VOB/A und ist deshalb unwirksam. Ich möchte hierzu nachfolgend ein weiteres Beispiel aus der Praxis anführen.

 

Beispiel

Ein öffentlicher Auftraggeber hatte unter anderem Erdarbeiten vergeben. Die entsprechende und später strittige Leistungsposition lautete: „Boden aus Abtragsbereichen profilgerecht lösen. Klasse 3 bis 5. Boden in Eigentum des AN übernehmen und von der Baustelle entfernen.“ In den Vorbemerkungen zu dem Leistungsverzeichnis hatte der Ausschreibende unter anderem angegeben: „Bei der Kalkulation der Baumaßnahme sind die örtlichen Verhältnisse durch eine Ortsbesichtigung zu erkunden. Durch die Unterschrift des Angebotes wird bestätigt, dass dem AN die örtlichen Verhältnisse bekannt sind und er ausdrücklich die Ausschreibungsunterlagen als Vertragsgrundlage im Auftragsfall anerkennt und sich verpflichtet, die Leistung zu den eingesetzten Preisen termin- und fachgerecht auszuführen. Nachforderungen wegen nicht erkannter Schwierigkeiten werden nicht anerkannt.“

In den Vergabeunterlagen wurde nicht darauf hingewiesen, dass die Arbeiten zum Bodenaushub teilweise unter Terminaldächern, Fahrradständerüberdachungen und Vordächern von Läden ausgeführt werden mussten. Deshalb war der Einsatz üblicher Bagger an diesen Stellen nicht möglich, vielmehr mussten dazu Minibagger eingesetzt werden. Der Auftragnehmer verlangte deshalb vom Auftraggeber eine Vergütung des dadurch bedingten Mehraufwands in Form eines Nachtrags. Der Auftraggeber hat diesen Nachtrag mit Hinweis auf seine Klausel in den Vorbemerkungen abgelehnt. Dieser Streit wurde der VOB-Auslegungs- und Beratungsstelle des Baugewerbeverbands Niedersachsen zur Entscheidung vorgelegt (Fall 1155). Dieser hat festgestellt, dass die Vorbemerkung den Anforderungen des § 9 VOB/A widerspricht und deshalb der Nachtrag des Auftragnehmers gerechtfertigt war. Die in den Vorbemerkungen geforderte Ortsbesichtigung durch die Bieter vor Angebotsabgabe habe den Ausschreibenden nicht von seiner Verpflichtung entbunden, die geforderten Leistungen entsprechend § 9 Nr. 1 VOB/A zu beschreiben und auch alle wesentlichen Verhältnisse der Baustelle anzugeben. Vielfach ist jetzt der Einwand zu hören, dass eine umfassende Beschreibung der örtlichen Bedingungen und Besonderheiten der Baustelle sehr schwierig sei und womöglich zu sehr umfangreichen und langen Texten führen würde.

Dabei wird übersehen, dass eine solche Beschreibung nicht zwingend in Textform erfolgen muss. In § 9 Nr. 12 weist die VOB/A darauf hin, dass die Leistungen erforderlichenfalls auch zeichnerisch, durch Probestücke oder auf andere Art und Weise beschrieben werden sollen. Das lässt sich selbstverständlich auch auf die Beschreibung der örtlichen Verhältnisse übertragen. Die uns heute zur Verfügung stehende Technik gibt uns viele Möglichkeiten. Es ist kein Problem mehr, Zeichnungen, Lagepläne und Fotos, am einfachsten mit einer Digitalkamera aufgenommen, in die Leistungsbeschreibung einzubinden. Dadurch erübrigt sich vielfach eine ausführliche textliche Beschreibung. Es  müssen oft nur noch einige wenige textliche Hinweise als Erläuterungen zu den Zeichnungen oder Fotos hinzugefügt werden. Manch einer wird jetzt vielleicht einwenden, dass die VOB/A ja nur bei öffentlichen Bauvorhaben beachtet werden muss. Vom Grundsatz her ist das auch richtig. Weil es neben der VOB/A aber keinerlei Regelwerk für das Ausschreiben von Bauleistungen gibt und die Anforderungen von § 9 VOB/A im Prinzip Selbstverständlichkeiten darstellen, ohne die der Auftraggeber nicht zu den von ihm gewünschten verlässlichen Angeboten kommen kann, ist jeder Planer gut beraten, diese Regeln bei seiner Leistungsbeschreibung zu beachten. Spätestens, wenn es zum gerichtlichen Streit darüber kommt, ob eine bestimmte Leistung zum vertraglich vereinbarten Leistungsumfang zählt, wird die Leistungsbeschreibung an den Regeln in § 9 VOB/A zu  überpüfen sein. Wenn sich dann herausstellt, dass die Leistungsbeschreibung nicht diesen Anforderungen entspricht, wird der Streit in aller Regel zugunsten des Auftragnehmers entschieden werden. Die Forderung in § 9 Nr. 4 VOB/A, dass bei der Beschreibung der Leistung nur verkehrsübliche Bezeichnungen verwendet werden sollen, ist sicherlich leicht einsehbar. Nur mit solchen Bezeichnungen kann der Auftraggeber sicher sein, dass die Bieter auch verstehen, welche Leistung er genau fordert. Trotzdem wird leider in der Praxis, zumindest bei privaten Bauvorhaben, häufig gegen diese Regel verstoßen. Ein alltägliches Beispiel ist die Bezeichnung von Natursteinen mit Fantasienamen der betreffenden Industrie. Wenn Sie solche Namen statt der genauen Steinart mit Angaben zur petrologischen und geografischen Herkunft und zur Farbe in Ihrer Leistungsbeschreibung verwenden, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn das vom Auftragnehmer gelieferte Material womöglich nicht den Vorstellungen des Auftraggebers entspricht.